Tabita Rezaire: ›Deep Down Tidal‹

›Deep Down Tidal‹, 2017, (19 min)

In ›Deep Down Tidal‹ (2017) untersucht Tabita Rezaire den Ozean als einen Ort und ein Medium kolonialistischer und neokolonialistischer Machtstrukturen. Der Film dreht sich um die Theorie des ›elektronischen Kolonialismus‹, die die westliche Vorherrschaft über digitale Technologien als eine von postindustriellen Ländern verfolgte Strategie zur Durchsetzung ihrer Macht über den Rest der Welt versteht. Anhand einer Ansammlung kosmischer Formen, menschlicher Körper und verzerrter Telekommunikationen zeigt Tabita Rezaire, wie sich das Schlachtfeld der Kolonisatoren in der heutigen Zeit vom physischen Land in die digitale Arena verlagert hat. Der elektronische Kolonialismus versucht, nicht das Land, sondern den Geist des ›Anderen‹ zu unterwerfen, indem er ein westlich–zentriertes erkenntnistheoretisches Modell durchsetzt. Dieses Modell ist sowohl Vehikel als auch Verkörperung der Internettechnologie: Die Tiefsee überträgt digitale Daten über unterseeische Glasfaserkabel, die ehemaligen kolonialen Routen des Sklavenhandels folgen. Die beschreibt die Künstlerin als eine ›Architektur der Gewalt und Unterdrückung‹. ›Unser Wasser ist traumatisiert‹, heißt es in fettgedruckter Schrift, die über den Bildern plaziert wird.

Von Glasfaserkabeln bis zu versunkenen Städten, von ertrunkenen Körpern bis zu verborgenen Geschichten der Navigation wird der Ozean der ›Deep Down Tidal‹ zur Bühne einer komplexen Reihe von Netzwerken, die kosmologische, spirituelle, politische und technologische Daten tragen. Durch eine Collage aus computergenerierten Bildern, Bildschirmaufnahmen, Google-Suchanfragen, Pop-Ikonen und Filmmaterial fordert Tabita Rezaire in ihrem Dokumentarfilm die Zuschauer auf, sich kritisch mit den kulturellen, politischen und ökologischen Kräften auseinanderzusetzen, die unsere Technologie prägen. Gleichzeitig suggeriert sie, dass Wasser, ein Element, das mit therapeutischen und generativen Eigenschaften ausgestattet ist, auch zu einem Ort der Heilung werden kann: Tanzen, Singen und Beten auf dem und für den Ozean, wie am Ende des Films gezeigt wird, ist ein angestammter Weg, um sich wieder mit den grenzenlosen Energien des Urwassers zu verbinden.